Was linke AntióKrisentheoretiker, Antideutsche und deutsche Kleinanleger nicht wissen wollen, weiß inzwischen jeder Banklehrling: Das Weltkapital sitzt auf der größten Finanzblase aller Zeiten. Natürlich wagt es trotzdem nur eine kleine Minderheit von Bankern und Finanzanalysten, die Seifenblase der von jeder ökonomischen Realität abgehobenen Börsenkapitalisierung auch als solche zu bezeichnen. Die große Mehrheit der Akteure im globalen Kasinokapitalismus, der LobbyóAnalytiker und der ideologischen Wunderheiler ist wie immer berufsoptimistisch; und je mehr der Kapitalismus seine eigene Geschäftsgrundlage zerstört, desto zuversichtlicher werden sie.
Aber ganz ohne Verweis auf einen substanziellen ökonomischen Inhalt im Sinne zukünftiger Kapitalverwertung kann selbst die luftigste finanzkapitalistische Phantasie nicht auskommen. Die enorme Börsenkapitalisierung muss als Vorbotin eines ebenso enormen realen Wachstumsschubs vorgegaukelt werden. Dabei wäre dann freilich auch genauer zu zeigen, welcher Sektor der Produktion es denn eigentlich sein soll, der den neuen säkularen Aufschwung tragen wird.
Peinlicherweise sind die geisterhaften finanzkapitalistischen Vorboten inzwischen schon sehr lange unterwegs, ohne dass eine neue sachliche Gestalt sichtbar geworden wäre, in der sich das Kapital abermals im großen Maßstab realökonomisch inkarnieren könnte. Denn schon seit den achtziger Jahren werden die mit ständiger Beschleunigung steigenden Börsenkurse durch den Hinweis auf neue Inhalte der Produktion gerechtfertigt, die angeblich das ersehnte Potenzial für den Aufbruch zu neuen Ufern der realen Kapitalverwertung in sich bergen.
Leider mussten diese Inhalte jedesmal nach ein paar Jahren ausgewechselt werden, weil sich die vollmundigen Voraussagen nicht bewahrheitet hatten. So war die Produktion von Mikrochips und Personalcomputern nicht in der Lage, den Abbau von Beschäftigung und realer Wertschöpfung zu kompensieren, der von eben diesen neuen mikroelektronischen Technologien durch die damit verbundenen Rationalisierungswellen verursacht wurde.
Ebensowenig erfüllten sich die Hoffnungen auf eine »postindustrielle Dienstleistungsgesellschaft»: Bei den industriebezogenen Diensten wurde das Wachstum durch die »Verschlankung« der industriellen Kapazitäten begrenzt und bei den so genannten Humandienstleistungen durch den Abbau von Massenkaufkraft und Staatskonsum. So blieb auch in dieser Hinsicht die Erwartung eines großen Schubs von rentablen Arbeitsplatzó und ErweiterungsóInvestitionen unerfüllt.
Inzwischen sind nicht nur die achtziger, sondern auch die neunziger Jahre dahingeflossen und es wird allmählich brenzlig. Wenn die ökonomisch körperlose, aufgedunsene Geldseele der Börsenkapitalisierung nicht bald glaubhaft in einen neuen »Körper« schlüpfen kann, droht sie sich ins Nichts aufzulösen. Not macht erfinderisch, und so musste wenigstens ein neuer vielversprechender Name gefunden werden, um das Platzen der Blase noch einmal zu verzögern.
In diesem Sinne machte seit 1999 ein wohlklingender Begriff Blitzkarriere: New Economy. Von USóFinanzanalysten schon Mitte der neunziger Jahre ausgebrütet, hat diese Wortschöpfung innerhalb kürzester Zeit einen Siegeszug rund um die Welt angetreten und wird in allen Medien besinnungslos heruntergebetet. Worin soll diese ominöse New Economy ihren Gehalt haben? Die Rede ist von »Hochtechnologien«. Hatten wir das nicht schon mal? Der Name ist irreführend, denn schließlich wird HighóTech auch im gesamten Spektrum der alten Industrien und Dienstleistungen eingesetzt. Was jetzt aber endlich eine New Economy kreieren soll, ist schlicht das Internet; genauer gesagt: spezifische Techniken und Dienstleistungen für das Internet und im Internet.
Mit einem Wort: Das Internet soll jetzt den letzten realökonomischen Hoffnungsträger abgeben, um dem fiktiven Geldkapital der aufgeblasenen Börsenkapitalisierung wenigstens eine Art virtuellen Körper zu verleihen. Was natürlich heißen müsste, dass via Internet ein säkularer Schub von Beschäftigung und realer Kapitalverwertung kommt. Die schon gescheiterten Paradigmen von »neuer Technologie« und »Dienstleistungsgesellschaft« werden also in einem zweiten Versuch zusammengemixt und auf das Internet projiziert.
Das kommende Wirtschaftswunder soll sich im World Wide Web abspielen, die realökonomische Wachstumsdynamik paradoxerweise dem virtuellen elektronischen Raum entspringen. Und dieser neue Wunderglaube wird in noch schrilleren Tönen als alle vorhergehenden propagiert. Schon sehen die Chefeuphoriker aller Länder einen angeblichen InternetóKapitalismus mit gewaltigen Potenzialen heraufdämmern, in dem sich ein »Total WebóBased Management« über den »Mehrwert auf der WebóSeite«, so die Webóbenebelte Wirtschaftswoche, freut.
»Alle müssen ins Internet«, befand daher der deutsche Medienkanzler Gerhard Schröder anlässlich der Eröffnung der Computermesse Cebit im Februar 2000. Die »linke« grüne OberóRealistin Renate Künast hechelte gleich hinterher und forderte in einem TVóInterview forsch, junge Frauen weniger als Altenpflegerinnen, sondern stattdessen »für den EóCommerce« auszubilden. InternetóKapitalismus und InternetóFeminismus: was für ein nettes Paar.
Und auch der britische Strahlemann Tony Blair hat schon wieder mal eine Vision: Er sieht die neoliberalen Blütenträume von »New Labour« jetzt im Web reifen und »will Großbritannien zu einer zentralen Macht im InternetóHandel machen« (Handelsblatt, 13. März). Politik und Medien reagieren auf die neuen Stichworte wie Pawlowsche Hunde, denn für sie gilt erst recht die Devise: Dabeisein ist alles, Mitmachen um jeden Preis ó und je besinnungsloser, desto besser.
Die Frage ist nur: Liegt der Option des kommenden InternetóBooms überhaupt irgendein sachlicher ökonomischer Gehalt im Sinne der Kapitalverwertung zu Grunde? Zusätzliche Ausrüstungen für das Internet werden auf der Ebene der materiellen Industrieproduktion kaum ein gesamtwirtschaftlich auch nur bemerkbares zusätzliches Realwachstum generieren. Denn die Hardware für eine BreitbandóTelekommunikation ist bereits vorhanden (sie wurde ganz ohne Beschäftigungsboom geschaffen); und die Innovationen für einen direkten InternetóAnschluss oder überhaupt eine gesamtmediale Integration können weder technologisch noch ökonomisch ein neues Zeitalter elektronischer Massenproduktion mit dazugehöriger Massenbeschäftigung tragen.
Letzter Schrei: Handys, mit denen man im Kaufhaus per OnlineóBanking bezahlen kann. Das Produktionsó und Beschäftigungsvolumen derartiger Erweiterungen von längst schon eingeführten Technologien ist viel zu gering, um den Erwartungen eines neuen säkularen InternetóKapitalismus gerecht zu werden.
Die spezifischen Hilfsmittel für die Nutzung des Internet bestehen sowieso weniger aus zusätzlicher Hardware, sondern hauptsächlich aus neuer Software: Die »User« benötigen diverse Suchmaschinen, um im globalen Netz surfen und Informationen herausfiltern zu können; für alle möglichen Interessen werden spezielle Zugänge (so genannte Portale) angeboten.
Der Begriff der Maschine ist dabei allerdings nur metaphorisch zu verstehen, denn es handelt sich nicht um materiell bearbeitete Produktionsmittel, sondern um spezifische Computerprogrammierungen. Das gilt auch für die geschäftliche Präsentation, für Werbung usw. im Internet durch HomeópageóGestaltung (WebóDesign). Das Angebot von Software in dieser Hinsicht mag rapide zunehmen.
Aber auf diese Weise werden keine entscheidenden neuen Beschäftigungsó und damit Wertschöpfungspotenziale herbeigezaubert. Denn die Kreation von Software ist extrem beschäftigungsarm und kann von einer Handvoll Spezialisten betrieben werden. Vor allem aber kann die massenhafte Reproduktion dieser Software nicht den Boom der früheren Industrien wiederholen. Folgte der Konstruktion von Autos oder Waschmaschinen noch eine ungeheuer beschäftigungsintensive materielle Produktion nach, so wird die selber schon ohne nennenswerte zusätzliche Wertschöpfung produzierte Software schlicht durch Mausklicks kopiert. Da werden nicht Millionen von zusätzlichen »Händen« benötigt.
Weder die Hardwareó noch die SoftwareóHilfsmittel rechtfertigen die Euphorie einer kapitalistischen New Economy. Wenn überhaupt, dann müsste das neue reale Wachstumspotenzial im Internet selber zu finden sein. Aber die Möglichkeiten einer virtuellen Produktion von kapitalistisch verwertbaren Gütern sind eng begrenzt. Immaterielle Waren ohne nennenswerte materielle Investitionen können keine reale Wachstumsdynamik auslösen.
Was als Option übrig bleibt, ist also hauptsächlich die Kommerzialisierung des Internet: Das viel beschworene EóBusiness oder NetóBusiness kann allenfalls als jener EóCommerce in Erscheinung treten, auf den die gar nicht mehr besonders grünen RegierungsóRealos so begierig schielen. Aber genau das ist eine nur allzu durchsichtige Milchmädchenrechnung. Denn der bloße Handel bleibt immer eine nachgeordnete Erscheinung der realen Produktion. Wenn nicht ausreichend kapitalistisch produktive Einkommen erzeugt werden, muss auch der Kommerz erlahmen, der niemals aus sich selbst heraus ökonomisch reproduktionsfähig ist.
Für die Ausweitung des EóCommerce gilt insofern dasselbe wie für die Verlängerung oder völlige Freigabe der Öffnungszeiten im Einzelhandel: Die Leute haben auf diese Weise natürlich nicht mehr Geld in der Tasche, sodass nur Umschichtungen der Umsätze stattfinden. Gesamtwirtschaftlich handelt es sich bestenfalls um ein Nullsummenspiel.
Ohnehin sind dem Einzelhandel im Internet enge Grenzen gesetzt, denn man kann zwar virtuell einkaufen, aber natürlich nicht virtuell konsumieren (jedenfalls nicht die Masse der durchaus handfesten Produkte). InternetóShopping und virtuelle Auktionshäuser, quasi elektronische Flohmärkte, mögen als ModeóErscheinung einen gewissen Zulauf haben; ihre Sinnfälligkeit bleibt jedoch auf wenige Spezialprodukte (z.B. antiquarische Bücher, seltene Sämereien etc.) beschränkt.
Für die überwältigende Mehrzahl der Konsumgüter, die man nicht suchen muss, sondern an jeder Ecke erwerben kann, ist EóCommerce schlichter Blödsinn. Was man per Mausklick gekauft hat, ohne mehr als den Finger krumm zu machen, muss schließlich »real« und kostenträchtig abgeholt oder angeliefert werden ó und worin soll dann eigentlich der große Vorteil von Shopping per Bildschirm bestehen?
Im Grunde genommen haben wir es bloß mit einer hochgestochenen Umbenennung des guten alten Versandhandels zu tun. So startete der OttoóVersand Anfang 2000 den ersten bundesweiten Lieferdienst für Lebensmittel im Internet: Bei einem Mindestbestellwert von 30 Mark fallen 8,95 Mark Liefergebühr an. Angesichts solcher Kostenrelationen wird es die Masse der Normalverbraucher wohl notgedrungen vorziehen, sich doch lieber in die Schlange an der Supermarktkasse einzureihen. Und manche, die in einer Sekunde Echtzeit im Web eingekauft haben, durften sich dann schon mal vier Wochen Echtzeit auf das Eintreffen ihres jeweiligen Glücksgutes freuen.
Die lästige »erste Realität« steht auch im Hintergrund der Überlegungen, wenn nur ein kleiner Prozentsatz der zahlungsfähigen Konsumenten zur Aktion »unbesehen Kaufen« (Handelsblatt) bereit ist. Dass z.B. der EóHeiratsmarkt unliebsame Überraschungen bergen kann, musste jüngst der britische Tankwart Trevor Tasker leidvoll erfahren: Die pralle 30jährige Schönheit seiner EóRomanze im Cyberspace entpuppte sich, wie die Nachrichtenagentur AP vergangenen Monat berichtete, in der schnöden Realität als verwelkte 65jährige, die den Leichnam ihres vorherigen Lebensgefährten in der Tiefkühltruhe verwahrte.
Sicherlich wird die Diskrepanz zwischen virtuellem Versprechen und realer Erfüllung nicht immer so groß sein, und nicht alle handelbaren Güter haben einen so heiklen Charakter wie Bräute. Trotzdem wird auch die profane Ware in der Regel weiterhin nicht ohne sinnliche Prüfung Gefallen finden. Die wenigsten wollen die sprichwörtliche Katze im nunmehr elektronischen Sack erwerben.
Soweit aber der InternetóEinzelhandel überhaupt funktioniert, nimmt er dem realen Einzelhandel, der kostenträchtige Ladenflächen und Filialen betreiben muss, Umsätze und Marktanteile weg. Das zwingt logischerweise zu Schließungen und zu neuen Rationalisierungsschüben; bald werden sich die Kunden selber abkassieren müssen ó natürlich ebenfalls mittels elektronischer HighóTech. Am Ende wird die schöne neue Welt des EóCommerce die Krise der Dritten Industriellen Revolution verschärfen statt überwinden.
Das gilt in noch höherem Maße für den kommerziellen Sektor des so genannten BusinessótoóBusiness im Internet, auch unter dem Kürzel B2B bekannt. Gemeint ist damit der elektronische Handel von Unternehmen untereinander, der allerdings eine weitaus größere Bedeutung besitzt als das EóShopping von Privatleuten. In Form von Beratungsfirmen und SoftwareóHäusern schießen seit Ende der neunziger Jahre B2BóUnternehmen wie Pilze aus dem Boden. »Hat Ihre Firma EóCommerce schon in ihren Erbanlagen verankert?« wirbt etwa die Andersen Consulting mit ganzseitigen Anzeigen in der Wirtschaftspresse. Zweifellos, B2B revolutioniert tatsächlich große Teile des Handels. Aber mit welchen Konsequenzen? Das Internet, bislang eine globale Spielwiese, mausert sich bei der kommerziellen Anwendung zum neuartigen »Kostenkiller»:
»Am Beispiel der Finanzmärkte wird schon heute im Ansatz sichtbar, was auf den Gütermärkten bald geschehen wird. Aktienkäufe und Aktienverkäufe laufen heute weitgehend elektronisch ab. Sind bestimmte Schwellenwerte erreicht, werden in den Handelscomputern Kettenreaktionen ausgelöst, die von Menschen vorher definiert wurden. Käufer und Verkäufer schließen automatisch Verträge ab, ohne lange Suche oder aufwendige Verhandlungen. Der neue Marktpreis bildet sich binnen weniger Sekunden. Intermediäre wie die Handelsmakler werden in diesem System keine Funktion mehr haben. An den Gütermärkten werden diese technischen Änderungen jedoch deutlich tiefere Spuren hinterlassen als an den Finanzmärkten (...).« (FAZ, 23. Februar)
Mit anderen Worten: Was da über die Welt rollt, ist nicht der Anfang eines neuen Wirtschaftswunders, sondern eine riesige Freisetzungswelle von Arbeitskraft. Der gesamte Zwischenhandel, große Teile der Zulieferer, Lagerhaltung, Einkaufsó und Beschaffungsabteilungen ó alles wird überflüssig, ganze Ebenen des »Wirtschaftsgeschehens« einschließlich erheblicher Teile des Managements selber müssen mittelfristig von der Bildfläche verschwinden. Schon setzen die großen Automobilkonzerne und Handelsketten mittels B2B ein »gigantisches EinsparóKarussell« in Gang:
»Beschaffungswege werden dramatisch verkürzt, beschleunigt und verbilligt (...). Die (...) InternetóEinkaufskooperation der Autogiganten DaimleróChrysler, Ford und General Motors ó die immerhin eine Einkaufsmacht von rund 480 Milliarden Mark repräsentieren ó ist erst der Anfang. Sie beleuchtet jedoch schon sehr gut, welch ungeheures Potenzial im Internet steckt (...). Wie so etwas dann aussehen könnte, wird sich deutlich an der zweiten MammutóKooperation zeigen, die jetzt verkündet wurde. Die Handelsgiganten Sears aus den USA und Carrefour, der größte Einzelhändler Europas, bauen einen offenen Internetmarktplatz auf, auf dem sie ihre Lieferantenbeziehungen konzentrieren wollen (...).« (Handelsblatt, 1. März)
Diese qualitativ neuartige »Ausgliederung ganzer Prozessketten« als »Revolution in der Logistik« (Handelsblatt) mittels Internet entpuppt sich als die lange erwartete (und befürchtete) zweite große Welle der mikroelektronischen Revolution. Waren es in den achtziger und neunziger Jahren vor allem die Prozesse der industriellen Fertigung, die dabei von Automatisierung und Rationalisierung erfasst wurden, so handelt es sich jetzt um das gesamte Spektrum der kommerziellen Bereiche, der Verwaltung und der Logistik: Wie zuvor die Produktionstätigkeiten mittels Industrierobotern, so werden nun endlich auch die Bürotätigkeiten und Dienstleistungen durch das Internet ausgedünnt oder ganz abgeschafft.
Schon die erste Welle oder Stufe der mikroelektronischen Revolution hatte weitaus mehr Arbeitskräfte überflüssig gemacht als durch die Verbilligung der Produkte und die damit mögliche Markterweiterung vom kapitalistischen Verwertungsprozess wieder absorbiert werden konnten.
Hatte also der Kompensationsmechanismus der früheren Revolutionen in der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung schon auf der ersten Stufe der mikroelektronischen Umwälzung nicht mehr gegriffen, so greift er auf der zweiten, durch das Internet definierten Stufe erst recht nicht mehr. Das Resultat kann nur ein weiterer großer Schub der strukturellen Massenarbeitslosigkeit sein: In Deutschland wird es dann eben nicht mehr bloß vier, sondern acht oder zehn Millionen Arbeitslose geben.
Auch die Folgen auf dem Weltmarkt werden dieselben sein wie bei der Anwendung der Mikroelektronik im industriellen Produktionsprozess: Ganze Länder und Weltregionen, denen das Geldkapital für die Investitionskosten der neuen Technologien fehlt, werden zusätzlich in den Ruin getrieben, wie die publizistischen Trommler für die wunderbare kommerzielle InternetóRevolution sehr gut wissen: »Der Wettbewerb wird sich verschärfen. Dramatisch wird es für Marktteilnehmer werden, die sich nicht auf die neue Situation einstellen können.« (Handelsblatt, 1. März) Was betriebswirtschaftlich gilt, ist aber auch volkswirtschaftlich hochzurechnen. Da wird die Nato wieder viel Friedensarbeit zu leisten haben in den neuen ZusammenbruchsóRegionen.
Natürlich will das herrschende Bewusstsein einer allgemeinen kommerziellen WebóEuphorie von solchen Konsequenzen nichts wissen. Gegen alle Erfahrung mit der Anwendung mikroelektronischer Rationalisierung in den letzten 20 Jahren soll nun ausgerechnet das Internet zur »Jobmaschine Nummer eins« (Wirtschaftswoche) werden.
Aber schon jetzt, noch im Vorfeld der großen Wegrationalisierung von Arbeitskraft durch B2B, zeigt sich das krasse Missverhältnis von Freisetzungspotenzial einerseits und zusätzlich für das EóBusiness benötigten Arbeitskräften andererseits. Angeblich wird die EóJobmaschine gegenwärtig nur durch den Mangel an Fachkräften gebremst. Aber das Räsonnement über die künftige wundersame Jobvermehrung dementiert sich selbst bis zur Lächerlichkeit:
»Frappierend ist das Tempo, mit dem die Stars am Jobhimmel ihr Personal aufstockten, allen voran die frisch gegründeten, vielfach am Neuen Markt notierten Firmen (...). Die DeutscheóTelekomóTochter TóMobil etwa, erfolgreichster Arbeitsbeschaffer unter den TelefonieóAnbietern hier zu Lande, will dieses Jahr zu den vorhandenen rund 7 500 Mitarbeitern weitere 2 200 Kräfte einstellen, die Konkurrenten EóPlus und Mannesmann Mobilfunk peilen 800 zusätzliche Leute an (...). Der Hamburger MultimediaóSpezialist Management Data will bis Ende dieses Jahres mit 145 Angestellten fast dreimal soviele Leute unter Vertrag haben wie 24 Monate zuvor. Die Münchner Softwareberatung Bmp plant für Anfang 2001 rund 100 Gehaltsempfänger, fast eine Verfünffachung.« (Wirtschaftswoche, 11/00)
Kunststück, wenn die Ausgangsbasis derart absurd klein ist. Offenbar will der Autor dieser Lobesó und Hoffnungshymne seine Leser auf den Arm nehmen. Während das zusätzliche Freisetzungspotenzial nach Millionen zu zählen ist, geht die absehbare Reabsorbtion von Arbeitskraft gerade mal in die Hunderte, bestenfalls in die Tausende. Allein um die bereits vor der Kommerzialisierung des Internet entstandene Millionenmasse von Arbeitslosen aufnehmen zu können, müssten die EóCommerceóUnternehmen und SoftwareóKlitschen bei den angegebenen Dimensionen ungefähr ein halbes Jahrtausend lang boomen.
Als Jobmaschine kann man die New Economy vergessen ó damit aber auch als realen Wachstumsträger von »Wert«, das heißt von »geronnenen« gesellschaftlichen Arbeitsquanta. Im Internet kann sich das Kapital genauso wenig reinkarnieren wie in der mikroelektronischen Industrie oder in den Humandienstleistungen. Das globale WebóBusiness setzt nur jenen GeisteróKapitalismus fort, dessen ruhelose Seele die für sich allein auf Dauer nicht lebensfähige aufgeblasene Börsenkapitalisierung ist.
In der Tat besteht das Neue an der New Economy vor allem darin, dass sie das ausschließlich spekulativ genährte Scheinwachstum verlängert, und zwar auf eine noch viel windigere Weise als bisher schon. Ein erheblicher Teil der EóBusinessóPhantasie war sowieso von vornherein auf die Börse gerichtet; und eine ganze Reihe der »neuen« Unternehmen stellen nicht einmal virtuelle Waren her, sondern offerieren schlicht als so genannte DiscountóBroker (Onlineó und Telefonbroker) die sekundenschnelle Abwicklung von Aufträgen und »Realtime»óInformationen über die Kursentwicklung für die rapide wachsende Masse der AmateuróBörsenzocker, bestehend aus Minderjährigen, Hausfrauenclubs und MöchtegernóCleverles jeden Alters und aus allen Bevölkerungsschichten. Für lumpige 99 Mark gibt es die Börsensoftware »Money Maker Classic»; und sogar die technischen Innovationen sind zunehmend auf die Börse zugeschnitten: Mit dem »intelligenten Handy« kann man jetzt nicht nur Einkäufe bezahlen, sondern direkt BörsenóTransaktionen abwickeln ó am Strand, im Auto oder im Bett.
Wie der InternetóKapitalismus die zweite Stufe der Wegrationalisierung von Arbeitskraft bildet, so bildet er auch die zweite Stufe der fiktiven Börsenkapitalisierung. Nachdem absehbar geworden war, dass sich das spekulative Potenzial der als Blue Chips bezeichneten klassischen Industrieó und Dienstleistungskonzerne Ende der neunziger Jahre erschöpfen würde, musste dem VoodooóFinanzkapitalismus ein neues Feld eröffnet werden. In Wahrheit besteht die New Economy vor allem aus einem zusätzlichen Segment der Aktienmärkte, das sich (ausgehend von den USA) als so genannter Neuer Markt mit eigenen Indizes etabliert hat.
Das ist kein neuer Markt für reale Warenproduktion, sondern eben für neue Aktienpakete ohne jeden nennenswerten Verwertungsprozess. So trat in New York seit Mitte der neunziger Jahre der Nasdaq Composite neben den altbekannten DowóJonesóIndex; und in Deutschland macht der NemaxóIndex des Neuen Marktes (Nemax Allshare und Nemax 50) dem Dax Konkurrenz.
Auch die Börse Tokio hat im Januar 2000 mit dem Segment »Mothers« den ersten Ansatz eines Neuen Marktes lanciert, dem bald mit Nasdaq Japan der »Quantensprung« folgen soll. Sogar die aufstrebende junge Börse in Polen liebäugelt schon damit, diesen Beispielen zu folgen. Zu erwarten ist, dass solche neuen Aktienmärkte in kürzester Zeit an allen Börsen aus dem Boden gestampft und mit eigenen elektronischen Handelssystemen versehen werden.
Es ist eine Flut von Neuemissionen, die da an die Börse drängen (inzwischen 20 bis 30 in einem Monat!) ó mit dem einzigen Zweck, durch wilde Kurssprünge nach oben Geld aus dem Nichts zu scheffeln. Angehängt an den InternetóBoom haben sich alle möglichen Unternehmungen, die bis dahin niemals als Aktiengesellschaften in Frage gekommen wären. In Frankfurt und London geht sogar die Börse selbst an die Börse (mit BóAktien der jeweiligen Börsenvereine).
Börsennotiert und webaktiv ist inzwischen auch der deutsche Sexversand Beate Uhse. Das Geschäftsergebnis ist zwar offenbar mager: »Nur verhältnismäßig wenige allerdings bestellen dann online Artikel wie das Strapshemd 'Lustkracher' oder die Gleitcreme 'Glitschi' ...« (Der Spiegel, 10/00). Aber darauf (nämlich auf reale Gewinne) kommt es ja auch schon längst nicht mehr an, sondern eben auf eine möglichst schnelle und exorbitante Börsenkapitalisierung am »Neuen Markt«.
Das gilt für die gehätschelten jungen InternetóGründer doppelt und dreifach. Während es bei den Blue Chips noch eine haltlose Gewinnphantasie für das vermeintlich vor der Tür stehende Wirtschaftswunder war, von der die Kurse nach oben getrieben wurden, ist der Neue Markt jetzt schon so weit, dass es fast als schädlich für die Kursphantasie gilt, wenn ein soeben an die Börse gegangenes junges EóUnternehmen nicht happige Verluste macht. In den USA wurde dafür der Begriff der »Cash Burn Rate« geprägt:
»Dahinter steckt letztlich nur eine Frage: Wieviel Geld verbrennen Gründer beim Gründen? Gemeint ist die Höhe aller monatlichen Ausgaben ó für Personal, Investitionen und Marketing ó, die bei WebóStartups inzwischen üppige Dimensionen erreicht. So verpulvern HighóTechóSchmieden in der Regel schon im ersten Jahr 2,5 bis fünf Millionen Euro; Marketingausgaben können dabei bis zu 50 Prozent ausmachen. Das Interessante daran: Je höher die Cash Burn Rate (CBR), so die gängige Faustformel, desto erfolgreicher das Startup. So ist eine monatliche Rate von 500 000 Euro für Internetgründer normal (...).
Spätestens durch Startups wie Amazon.com oder Yahoo wurde klar: Wer im Web was werden will, muss mit ordentlich PS auf den Datenhighway, um eine starke Marke aufzubauen. Gewinne waren plötzlich egal, Anlaufverluste geradezu ein Wachstumsindex (...). Den Rekord in Sachen CBR hält noch immer Amazon.com. Der erst fünf Jahre alte OnlineóBuchhändler fuhr allein im vierten Quartal 1999 bei einem Umsatz von 676 Millionen Dollar einen Verlust von 185 Millionen Dollar ein. Das entspricht einer Verbrennungsquote von rund 60 Millionen Dollar im Monat. Auch nicht schlecht: Der Dienstleistungsmarktplatz Smarterwork.com. Erst kürzlich schlossen die Briten eine Finanzierungsrunde über zwölf Millionen Dollar ab, die vermutlich nur für die nächsten sechs Monate reichen wird. Dasselbe Bild hier zu Lande: Die Meinungsportale Ciao.com und Dooyoo.de beispielsweise rechnen derzeit mit jeweils rund zehn Millionen Euro Anlaufverlusten bis zum Jahr 2002 (...)«, so die Wirtschaftswoche (11/00).
Kein Wunder, dass unter den »Zehn Geboten für Revolutionäre« in der EóConomy das neunte lautet: »Trachte nach Potenzial ó Gewinne sind egal.« (Wirtschaftswoche, 33/99) Während der große KonsumgüteróProduzent Procter & Gamble Anfang März 2000 an der New Yorker Börse für eine bloße Gewinnwarnung (die Ankündigung nicht etwa von Verlusten, sondern von etwas weniger Gewinn) mit einem drastischen Kurssturz von mehr als 30 Prozent bestraft wurde und damit seinen zwölfjährigen Höhenflug als Blue Chip beenden musste, rasten gleichzeitig die Kurswerte am Neuen Markt ohne jede Rücksicht auf solche Nebensächlichkeiten nach oben.
So wurde etwa als Erfolgsmeldung berichtet, dass die Tomorrow Internet AG (Hamburg) im Geschäftsjahr 1999 »nur« 15,46 Millionen Mark Miese gemacht hat und das Ergebnis damit »um 18 Prozent besser ausfiel als der ursprünglich geplante Verlust (...)« (Handelsblatt). Natürlich wissen alle längst, dass das Gerede von bloßen »Anlaufverlusten« für das Gros der neuen Aktiengesellschaften nichts als Augenwischerei ist. Die Broker selber machen sich schon lustig über das Wortgeklingel der hoffnungsvollen Internetkapitalisten:
»Fondsmanager und Analysten in Frankfurt spielen BullshitóBingo: Bei Präsentationen haken sie Schlagworte ab, sobald der Vorstandschef sie in den Mund genommen hat. Der Manager, der die meisten Worthülsen genannt hat, gewinnt. 'Internetphantasie' allein genügt nicht mehr, um Kurssprünge zu provozieren.« (Wirtschaftswoche, 10/00).
Aber Banken, Großó und Kleinanleger machen mit, weil es in Wahrheit nicht um mehr als zweifelhafte zukünftige Geschäftserfolge geht, sondern vielmehr der »GieróFaktor« alle auf phantastische Kurszuwächse von 100, 200 oder noch mehr Prozent in kürzester Zeit hoffen lässt. An der »Traumfabrik Neuer Markt« (Handelsblatt) verdoppeln sich die Ausgabekurse der Neuemissionen oft schon innerhalb eines einzigen Tages.
Inzwischen hat sich sogar das Lottospiel direkt mit der neuen Börsenzockerei verschränkt: Beim »Spiel 77« waren im März 2 000 Aktienpakete im Wert von je 10 000 Mark zu gewinnen. Wie die Pilze schießen sonderbare MinióUnternehmen mit einer Handvoll Beschäftigten aus dem Boden, die sich am Neuen Markt zu sagenhaftem Reichtum hochkapitalisieren. So ging das virtuelle Auktionshaus Ricardo.de 1999 mit 20 Beschäftigten, 5,7 Millionen Mark Umsatz und 2,5 Millionen Mark Verlust an die Börse, um über Nacht plötzlich 500 Millionen Mark »wert« zu sein (gemessen am Emissionsjahr, wäre das der Gegenwert von fast 100 Jahren des realen Umsatzes).
Nachdem die Kurse etwas zurückgegangen waren, gründete das MiniaturóUnternehmen eine »Tochter« namens RicardoBIZ, die zum Beispiel die Vermietung von Arbeitsräumen der Uni Frankfurt an Meistbietende vermittelt.
Dabei ist neuerdings auch wieder jener Lars Windhorst, der Mitte der neunziger Jahre zum LieblingsóJugendlichen von Altkanzler Kohl aufgestiegen war, weil er schon im zarten Alter von 17 Jahren genügend soziale Stupidität aufbrachte, um als Unternehmensgründer von sich reden zu machen. Nachdem der smarte Geldjüngling das spekulative Projekt eines Büroturms für das vietnamesischódeutsche Geschäftsleben in den Sand gesetzt hatte, verschwand er in der Versenkung ó um pünktlich zur Jahrhundertwende als inzwischen 23jähriger alter Hase wieder aufzutauchen, selbstverständlich mit einer Firma für verheißungsvolle InternetóIdeen, die ebenso selbstverständlich den Börsengang ansteuert.
Vorgemacht haben es in der BRD Jungunternehmer mit ökonomischen Luftnummern wie der 39jährige Paulus Neef mit der MultimediaóAgentur Pixelpark (42,4 Millionen Mark Umsatz, 4,2 Millionen Mark Verlust, 6,1 Milliarden Mark Börsenwert), der 29jährige Stephan Schambach mit dem EóCommerceóUnternehmen Intershop (Umsatz 90 Millionen Mark, Verlust 37 Millionen Mark, Börsenwert 16 Milliarden Mark) oder der 31jährige Karl Matthäus Schmidt mit dem DiscountóBroker Consors (Umsatz 117,8 Millionen Mark, Gewinn 24,5 Millionen Mark, Börsenwert 8,2 Milliarden Mark).
Zusammen übertreffen die drei Kleinfirmen mit rund 30 Milliarden Mark den selber schon überhöhten Börsenwert von Volkswagen, einem realen Großunternehmen mit 147 Milliarden Mark Umsatz (Angaben nach: Der Spiegel, 9/00).
Unter solchen Bedingungen musste sich die zweite Finanzblase des Neuen Marktes noch schneller und noch größer aufblähen als die erste der traditionellen Aktienmärkte. Übertraf schon das spekulative Niveau der Blue Chips alle historischen Rekorde, so setzte die InternetóSpekulation noch eins drauf: Schon wenige Jahre nach seiner Gründung überflügelte der NasdaqóIndex den Dow Jones ebenso wie der Nemax den Dax. So ist inzwischen von einer Scherenbewegung der Aktienkurse die Rede: Während die Werte der Blue Chips und andere traditionelle Aktienwerte nach zehn bis 15 Jahren exorbitanter Steigerung stagnieren oder zurückgehen, setzt sich das Kursfeuerwerk nun mit einer qualitativ neuen Intensität an den frisch etablierten Neuen Märkten fort.
Hatten die traditionellen Unternehmen, die wenigstens überhaupt noch etwas herstellen, ein selber schon historisch beispiellos überzogenes KursóGewinnóVerhältnis (KGV) von rund 30:1 erreicht, so liegt das KGV beim Nasdaq Composite (und ähnlich auch in der Spitze der deutschen NemaxóWerte) bei mehr als 200:1. Kein Wunder, dass diese klassische Messlatte für den Marktwert von Aktien bei den EóEuphorikern nichts mehr gilt: »KGV interessiert nicht«, so die Financial Times Deutschland, heißt es inzwischen in diesen Kreisen. Da wird es selbst der USóNotenbank Fed unheimlich, die in ihrem halbjährlichen Rechenschaftsbericht Ende 1999 warnte, die NasdaqóKurse reflektierten »im Vergleich mit historischen Normen ungeheuerlich hohe Gewinnerwartungen«. Es ist in der Tat unvorstellbar: Die Börsenkapitalisierung der Nasdaq beträgt im ersten Quartal 2000 mit der Summe von fünf Billionen Dollar bereits 60 Prozent des gesamten Sozialprodukts der USA, der Anteil der betriebswirtschaftlichen Wertschöpfung aus dem Netz dagegen liegt bei gerade mal drei Prozent; ganz zu schweigen vom realen Anteil an Produktion, Umsatz und Beschäftigung.
Jedes Kind kann sich ausrechnen, dass dieser virtuelle Scheinkapitalismus noch viel unhaltbarer ist als die spekulative Vorwegnahme eines traditionellen Wirtschaftswunders bei den Blue Chips, das ebenfalls nie mehr nachfolgen wird. Das Internet revolutioniert in der Tat die Kommunikationsmöglichkeiten, aber in Wahrheit über den Kapitalismus hinaus.
Eine tragfähige kapitalistische »WebóWirtschaft« wird es mangels Produktion und Beschäftigung nicht geben. Außerdem ist der EóCommerce äußerst anfällig, denn es erweist sich als ziemlich aufwendig, die weitgehend (von den Telefongebühren abgesehen) kostenlose Nutzung des globalen Netzwerks in einem wirklich großen Maßstab als kapitalistisches Angebot zu organisieren und dabei die kommerzielle Abwicklung störungsfrei sicherzustellen.
Dieselbe Kostenlosigkeit, die betriebswirtschaftlich als Kostenkiller erscheint und dadurch zum Beschäftigungskiller wird, führt den Kapitalismus endgültig ad absurdum. Und nicht nur in negativer Hinsicht, nämlich als Abschied von einer Welt der abstrakten Arbeit, sondern auch als positiver Vorschein: Das Internet verweist auf eine Welt jenseits des Kaufens und Verkaufens, auf ein wechselseitiges GratisóVerhältnis bewusst vergesellschafteter Individuen, während ein GratisóKapitalismus ein Widerspruch in sich wäre. Mehr oder weniger deutlich spüren diesen Impuls auch die WebóSurfer und Hacker, die sich gegen die Kommerzialisierung des Internet wehren und durchaus das Knowóhow für eine effiziente elektronische Sabotage besitzen.
Das zeigte sich Anfang 2000, als anonyme Angreifer in den USA und der BRD die Portale namhafter WebóKapitalisten stundenlang blockierten und damit eine aufgeregte Debatte unter Bankern, Politikern und Geheimdiensten über den Schutz des heiligen Privateigentums an virtuellen Produktionsmitteln im Cyberspace auslösten.
Die eigentliche revolutionäre Bedeutung des Internet könnte in seinem Gehalt als postkapitalistisches Universalmedium liegen, das innerhalb der kapitalistisch verfassten Gesellschaft vor allem der oppositionellen Kommunikation dient. Als Medium einer sozialen Gegenó und Massenbewegung hat das Internet Zukunft. Es könnte die Konkurrenz durch globale Direktkommunikation aufheben und würde perspektivisch zum Kinderspiel machen, was der RäteóIdee immer als angebliche praktische Unmöglichkeit vorgehalten wurde: die unmittelbare Interaktion einer globalen Selbstverwaltungsgesellschaft ohne Geld und ohne Staat.
Der Beitrag erscheint voraussichtlich im Herbst in dem Buch »Dabeisein ist alles. Die VoodooóÖkonomie des neuen Weltmarktes und ihr absehbares Ende«, Edition Tiamat, Berlin.
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